Freut ihr euch auch schon auf euren nächsten Urlaub? Ich plane gerade meinen Trip nach Mallorca. Wie jedes Jahr, möchte ich wieder auf meine Lieblingsinsel. So weit, wie immer – und doch wird es dieses Mal ganz anders als sonst, denn ich habe mich Anfang des Jahres dazu entschieden, nicht mehr zu fliegen. In diesem Artikel erfahrt ihr, warum ich diesen Schritt gehe, ob es irgendwann mal eine Ausnahme geben wird und welche Ausreden fürs fliegen ich nicht mehr hören kann.
Zweimal in meinem Leben bin ich für eine Fernreise in den Flieger gestiegen. Beides mal ging es in die USA, das war vor mehr als 10 Jahren. Innerhalb Europas bin ich sowohl beruflich als auch privat aber öfters geflogen. Irgendwann fühlte sich das nicht mehr richtig an. Es passte nicht zu meinen sonstigen Bemühungen, nachhaltig zu leben. Nach und nach habe ich meine Flüge reduziert, in den letzten Jahren waren es maximal zwei Flüge. Auch wenn diese Zahl für den ein oder anderen nicht hoch erscheint, war es für mich immer noch zu viel. Daher habe ich mich in diesem Jahr dazu entschieden, komplett aufs fliegen zu verzichten. Denn in kaum einem anderen Bereich haben wir als Privatpersonen die Möglichkeit, so einfach CO2 einzusparen.
Wie schädlich ist fliegen wirklich?
Das CO2, dass beim Verbrennen von Benzin oder Kerosin entsteht, heizt unser Klima auf. Das ist für die meisten sicher nichts neues. Doch wie hoch die CO2-Emission von Flügen wirklich ist, ist vielen nicht bewusst. So werden bei einem Flug von Berlin nach Bali und wieder zurück etwa 2.932 kg CO2 emittiert (errechnet auf Atmosfair). Das Umweltbundesamt hat errechnet, dass jede Person jährlich nur rund 1.000 kg CO2 emittieren dürfte, wenn Deutschland die Klimaschutzziele erreichen und bis zum Jahr 2050 weitestgehend Klimaneutral sein möchte – und das müssen wir, wenn wir, um unter den 1,5 Grad Erderwärmung zu bleiben und eine Klimakatastrophe abzuwenden. Alleine mit dieser Reise hätten wir unser Konto also schon weit überzogen. Auch bei meiner Reise nach Mallorca würde nicht viel auf meinem jährlichen Klimakonto übrigbleiben. Ein Flug von Berlin nach Palma de Mallorca verbraucht zwischen 550 und etwa 942 kg CO2 – je nachdem ob auch andere Treibhausgase mitberechnet werden (errechnet mit MyClimate und Atmosfair).
Denn der CO2-Ausstoss ist nicht das einzige Problem. Die Bildung von Schleierwolken und Kondensstreifen, der Aufbau vom Treibhausgas Ozon sowie der Abbau von Methan heizen zusätzlich das Klima an. Zudem gehen Wissenschaftler davon aus, dass die Auswirkungen der Emissionen auf den Klimawandel bei einer hohen Luftschichten zwei- bis viermal größer sind, da sie chemische Reaktionen in der Atmosphäre auslösen. Das ist auch der Grund, weshalb der Anteil an den globalen Treibhausgas-Emissionen durch das Fliegen nicht nur bei etwas mehr als 2 Prozent liegen, wie die Luftfahrtbranche behauptet, sondern wohl mindestens bei 5%. Egal, wie man es rechnet, es ist immer noch zu hoch, vor allem, wenn man sich überlegt, dass der Klimaschaden durch sehr wenige Menschen in sehr kurzer Zeit verursacht wird.
Ein Privileg Weniger mit Auswirkung auf Viele
Die Zahl der Flüge nimmt aufgrund von Billig-Airlines von Jahr zu Jahr zu. 2017 flogen etwa 4,1 Millionen Menschen. Das hört sich viel an, ist es auch. Dennoch ist es nur ein kleiner Teil der Menschheit, der regelmäßig fliegt – 2017 waren es etwa 3%! Wenn wir also fliegen, sollten wir uns klar machen, dass dies ein Privileg ist – ein Privileg von sehr Wenigen, das aber Auswirkungen auf viele Menschen hat. Menschen, die wohl in ihrem Leben nie selbst in ein Flugzeug steigen werden, aber die ersten sein werden, die vom Klimawandel betroffen sind. Für mich hat Fliegen neben der schlechten Klimabilanz daher einen sehr unangenehmen elitären Beigeschmack. Ich kann es mir leisten zu fliegen, aber auf wessen Kosten?
Grüner Fliegen – Utopie oder die Zukunft?
Wenn also klar ist, dass fliegen extrem klimaschädlich ist, dann gibt es zwei Alternativen: entweder wir fliegen nicht mehr oder wir hoffen darauf, dass es irgendwann grüner wird.
Wenn es nach der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation der Vereinten Nationen (ICAO geht), darf die Flugbranche ab 2020 nur noch „neutral“ wachsen. Jede zusätzliche Tonne CO₂ soll dann über den Zukauf von CO₂-Zertifikaten aus Klimaschutzprojekten oder durch klimafreundlichere Treibstoffe ausgeglichen werden. Ersteres ist jetzt schon möglich. Jeder, der einen Flug bucht, kann diesen kompensieren. Entsprechend der Höhe der emittierten Treibhausgase wird ein Betrag gezahlt, der in Klimaschutzprojekte gesteckt wird, die dazu führen, dass CO2 an anderer Stelle eingespart wird. Das Problem hierbei ist, dass der Schaden durch den Flug schon angerichtet ist. Er kann nicht rückgängig gemacht werden. Bis die Projekte aber Wirkung zeigen, vergeht einige Zeit. CO2-Kompensation sollte meines Erachtens daher immer nur die Ausnahme sein, wenn sich ein Flug gar nicht vermeiden lässt.
Stellt sich also die Frage, ob es irgendwann möglich sein wird, grün zu fliegen. Es gibt bereits einige Schritte in die Richtung, vor allem im Bereich der Optimierung von Flugzeugen, der Auslastung oder klimafreundlichere Flugrouten. Das Problem: solange Flüge billiger werden, fliegen mehr Menschen. Dadurch wird insgesamt mehr CO2 ausgestoßen, auch wenn sich die Emission pro Flug verringert – das nennt man Rebound-Effekt. Es gibt allerdings auch Forschungen, Kerosin auf Basis von Biomasse oder aus Wasserstoff herzustellen. Sogar Treibstoff aus Müll oder Cellulose, also der pflanzlichen Zellwand, die oft als Beiprodukt der Landwirtschaft abfällt, sind im Gespräch. Doch solange diese Alternativen noch Zukunftsmusik sind, bleibe ich lieber am Boden und fahre mit dem Zug – und wenn es sein muss mit der Fähre.
Ist das denn so viel besser?
Gute Frage. Schaut man sich Vergleiche zwischen Flieger und Zug an, schneidet der Zug um einiges besser ab. Während der Flieger pro Kilometer und Person 201 g CO2 ausstößt, liegt die Zahl bei der Bahn bei unter 1 g. Diese Zahlen variieren je nachdem, in welchem Land man unterwegs ist. In Deutschland etwa fährt die Deutsche Bahn zu 50% mit Ökostrom, in Spanien fahren Bahnen schon jetzt zu 100% mit Ökostrom. Auch wenn das nicht in allen Ländern so ist, bleibt der Zug die nachhaltigere Alternative.
Aber was ist mit der Fähre, die ich ja nehmen muss, um nach Mallorca zu kommen? Zwar findet man im Internet jede Menge Informationen zur schlechten Klimabilanz von Kreuzfahrtschiffen, aber für Fähren gibt es kaum Infos. Um zu berechnen, ob mein Plan, von Berlin nach Mallorca mit Zug und Fähre besser für die Umwelt ist als mit dem Flieger habe ich also folgende Berechnungen aufgestellt.
Meine geplante Route ist wie folgt: Auf dem Hinweg fahre ich über Marseille nach Toulon, von wo aus ich die Fähre nach Alcúdia, im Norden Mallorcas nehme. Zurück geht es mit der Fähre von Palma nach Barcelona und von da mit dem Zug zurück nach Berlin. Wenn wir mal davon ausgehen, dass die Fähre so viel CO2 ausstoßen würde wie ein kleines Kreuzfahrtschiff (0-999 Passagiere) wären das laut Atmosfair maximal 263 kg. Die Berechnung beziehen sich auf einen Tag auf dem Kreuzfahrtschiff. Allerdings sind die Überfahrten von Toulon nach Alcúdia (ca. 11 Stunden) und von Palma nach Barcelona (ca. 6 Stunden) viel kürzer und damit verringert sich der Ausstoß. Hinzu kommt noch die Zugreise, die zwischen 16 kg und 18 kg CO2 verbraucht. Insgesamt ist die Klimabilanz also um einiges besser als wenn ich in den Flieger steige.
Die Zahlen sprechen für sich. Warum wählen die meisten dann trotzdem den Flieger, anstatt in den Zug zu steigen?
Gute Gründe fürs Fliegen auf dem Prüfstand
Wer in den Flieger steigt, macht das natürlich nicht, um dem Klima zu schaden. Dennoch finden die meisten Ausreden, weshalb sie es trotzdem tun. Ich möchte hier niemanden angreifen, aber ich möchte die Gründe fürs Fliegen dennoch auf den Prüfstand stellen.
Die Zeit
Eines der häufigsten Gründe für das Fliegen ist: Zug fahren dauert so lange! Von Berlin nach Palma werde ich etwa 26 Stunden unterwegs sein. Im Vergleich zur reinen Flugzeit von knapp 3 Stunden ist das natürlich um einiges länger. Selbst wenn ich die Wartezeit mit einrechne schneidet der Flug – wenn ich nur die Zeit betrachte – besser ab. Aber für andere Strecken relativiert sich das Argument. Der Zug von Berlin nach Amsterdam zum Beispiel braucht knapp über 6 Stunden. Mit dem Flieger sind es 1 ½ Stunden. Rechnet man die Wartezeit und die Fahrten von und bis zum Flughafen in die Stadt mit ein, ist man bei etwa 3 bis 4 Stunden. Der CO2-Ausstoss ist allerdings etwa 15-mal höher mit dem Flieger. Sind es das die wenigen Stunden, die man gespart hat, wirklich wert? Gerade bei Flügen innerhalb Deutschlands wird es noch absurder. Von München nach Berlin ist man mit dem Flieger gerade mal 3 Minuten schneller.
Der zeitliche Faktor ist also oft nicht gerechtfertigt. Zumal man die Zeit im Zug nutzen kann, um zu lesen oder einfach abzuschalten. Für mich ist es also keine vertane Zeit. Für lange Reisen plane ich außerdem Zwischenstopps ein, so dass sich die Zeit, die ich an einem Stück im Zug sitze, reduziert.
Zudem sind die meisten doch auch bereit, für 17 Stunden in den Flieger zu steigen, um nach Bali oder Thailand zu kommen. Da zählt das Argument der Zeit plötzlich nicht mehr?
Der Preis
Oft wird argumentiert, dass Zugfahren zu teuer ist. Meine Reise von Berlin nach Palma wird hin und zurück etwa 370 Euro kosten (ohne Unterkünfte). Der Flieger ist mit etwa 70 Euro also viel günstiger. Dieser Preis ist allerdings nur möglich, da es keine Steuer auf Kerosin und internationale Flüge gibt. Außerdem fehlen in dieser Rechnung die Flüge nach Barcelona und Marseille, denn auf dem Weg nach Mallorca mache ich Zwischenstopp in diesen Städten. Der Flug nach Barcelona würde mich zur gleichen Jahreszeit etwa 70 Euro kosten, der Flug nach Marseille sogar 170 Euro. Damit ist der preisliche Unterschied plötzlich doch nicht mehr so groß. Im Vergleich zu einem Flug nach Bali, der mich etwa 800 Euro hin und zurück kosten würde, ist die Fahrt mit dem Zug nach Mallorca geradezu ein Schnäppchen. Genauso wie bei der Zeit scheint hier das Argument der Kosten aber plötzlich nicht mehr zu gelten.
Es gibt übrigens auch günstigere Alternativen, zu verreisen, z.B. mit dem Fernbus oder auch per Interrail. Pässe gibt es schon ab etwa 100 Euro. Zwar braucht es ein bisschen Planung, aber man spart jede Menge Geld.
Mit dem Zug kann man keine anderen Kulturen kennenlernen
Das wohl häufigste Argument für das Fliegen sind Fernreisen, die mit dem Zug nur begrenzt möglich sind. Keine Fernreisen, kein Kennenlernen anderer Kulturen, so das Argument. Ob die Mehrheit der Menschen, die nach Thailand fliegt auch wirklich die thailändische Kultur kennenlernt sei mal dahingestellt. Aber selbst wenn der Grund fürs Reisen wirklich andere Kulturen und nicht der schöne Strand ist, kann man doch auch innerhalb Europas viele verschiedene Kulturen kennenlernen. Die Unterschiede zwischen Schweden und Osteuropa zum Beispiel sind riesig. Wer doch ein wenig weiter weg möchte, kann auch das mit dem Zug machen. Mit der Transsibirischen Eisenbahn kommt man sogar bis nach China.
Darf jetzt niemand mehr fliegen?
Wenn wir Klimaschutz ernst nehmen, wäre das die richtige Konsequenz. In einer globalisierten Welt ist das wohl aber nicht so einfach durchzusetzen. Viele Menschen haben Verwandte in anderen Ländern, die sie sehen möchten. Das ist verständlich.
Viele sehen es aber auch einfach als ihr gutes Recht an, in den Urlaub zu fliegen. Wer hart arbeitet, hat sich Urlaub verdient. Ja, das stimmt, aber muss es immer mit dem Flieger sein? Ein Menschenrecht aufs Fliegen gibt es nämlich nicht. Ein Recht aufs Leben schon. Wenn wir mit unseren Urlaubsflügen das Klima weiter anheizen verwehren wir allerdings vielen Menschen dieses Recht.
Dennoch: von Verboten traut sich mittlerweile kaum jemand mehr zu sprechen. Vielmehr wird darüber diskutiert, eine Umsatzsteuer auf internationale Flugtickets zu erheben und Subventionen für Regionalflughäfen zu streichen oder die Ticketpreise zu erhöhen. Die Frage ist, wer hier die Leidtragenden sind. Diejenigen, die es sich leisten können, jeden Monat für einen Kurztrip in eine andere europäische Stadt zu fliegen werden es sich wahrscheinlich auch dann noch leisten können, wenn das Ticket 30 oder 50 Euro teurer wird. Vielmehr sollten wir uns ein Beispiel an Schweden nehmen, wo sich der Hashtag „flygskam“ – auf Deutsch: Flugscham“ – durchgesetzt hat. Tausende Schweden verzichten mittlerweile aufs Fliegen und nehmen lieber die Bahn. Wie cool wäre es, wenn sich #flugscham, #ichbleibamboden, #hörtendlichaufzufliegen oder #flugwahnsinn etablieren würden. Wenn sich jeder vor dem nächsten Flug sehr gut überlegt, ob es nicht nachhaltigere Alternativen gibt. Wenn der Flug die Ausnahme wäre – ein Privileg – und nicht die Norm.
Habt ihr Lust, solch eine Bewegung mit anzustoßen?
Noch mehr Infos? Dann mal hier entlang…
Das Transform Magazin hat in einem Artikel die Ausreden fürs Fliegen mal geprüft und mit Fleisch- und Autoverzicht verglichen.
Eine neue Studie hat herausgefunden, dass der Tourismus mehr zum globalen CO2-Ausstoß beiträgt als bisher angenommen.
Wer seinen Flug kompensiert, sollte sich unbedingt den Marktcheck des Verbraucherzentrale Bundesverband anschauen. Denn nicht jeder Anbieter ist gleich gut.
Bei der Deutschen Bahn könnt ihr übrigens mit dem UmweltMobilCheck errechnen, wie hoch der CO2-Ausstoß eurer Zugfahrt im Vergleich zu Flieger und Auto ist.
Jede Menge hilfreicher Infos zur Planung eurer Zugfahrt durch Europa findet ihr auf der Webseite von „The Man in Seat Sixty-one….“
Zwei Reise-Bloggerinnen, die mich dazu inspiriert haben, nicht mehr zu fliegen sind Evelina alias Earth Wanderess und Marcella vom Blog Get on your Way. Schaut euch auch unbedingt das Interview an, welches ich mit Marcella gemacht habe.
Dieser Beitrag enthält Links zu Initiativen, Artikeln oder Organisationen und kann daher als Werbung gesehen werden. Ich möchte aber betonen, dass ich dafür kein Geld bekomme.
Danke für diesen ausführlichen Artikel. Ich habe dieselben Überlegungen angestellt wie du und bin zu denselben Schlüssen gekommen. Was mir noch bevorsteht ist die Umsetzung. Denn ich möchte auch meine Freunde auf Mallorca besuchen, nur eben nicht mehr mit dem Flugzeug. Wir müssen angesichts der bevor stehenden globalen Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringen wird unser Leben in den Ländern der hohen CO2-Emission radikal ändern. Es ist schwer von Gewohnheiten loszulassen, aber jeder Mensch ist zu einer solchen Veränderung in der Lage.
Hallo Georg,
es freut mich, dass Du Dich auch entschieden hast, nicht mehr zu fliegen! Ich sehe es genauso wie Du: auch wenn es schwer fällt, wir müssen unsere Gewohnheiten ändern. Und ich muss sagen, dass ich nach meiner Reise eigentlich gar keine Lust habe, jemals wieder anders nach Mallorca zu reisen. Es war so wunderbar. Falls Du es noch nicht gesehen hast, ich habe hier ein bisschen meine Erfahrungen zusammengefasst: https://greenerlicious.de/mit-zug-und-faehre-nach-mallorca/. Ich freue mich schon darauf, nach Corona wieder in den Zug zu steigen und nach Mallorca zu fahren!
Beste Grüße
Julia