Wie macht ihr am liebsten Urlaub? Die meisten von uns steigen mindestens einmal im Jahr in den Flieger, um neue Länder und andere Kulturen kennenzulernen. Für die Umwelt hat dieser Trend aber verehrende Auswirkungen. Dass wir auch mit dem Zug und vor unserer Haustüre Abenteuer erleben können, zeigt Marcella Müller auf ihrem Blog „Get on your way“. Ich habe mit ihr über das Reisen mit dem Zug, die Unsinnigkeit vom „grünen Fliegen“ und was sich ändern muss, damit mehr Menschen nachhaltig verreisen, gesprochen.
Du beschäftigst Dich in ganz unterschiedlichen Bereichen mit dem Thema „nachhaltiges Reisen“. Erzähl doch noch mal genau, was Du machst.
Zum einen berichte ich auf meinem Blog „Get on your way“ über meine nachhaltigen Reisen. Ich beschäftige mich schon seit vielen Jahren mit Umweltthemen, lebe vegan, vermeide Müll oder kaufe Second-Hand. So bin ich auch auf das Thema Mobilität und nachhaltiges Reisen gekommen. Ich habe inzwischen kein eigenes Auto mehr, fahre viel Fahrrad und versuche beim Reisen aufs Fliegen zu verzichten. Nachhaltig leben und fliegen passt einfach nicht zusammen. Auf meinem Blog möchte ich zeigen, wie spannend es ist, mit dem Zug Europa zu erkunden und hoffe dadurch, andere zu inspirieren. Zum anderen arbeite ich beim fairkehr Verlag in Bonn und arbeite dort in zwei Projekten zum Thema nachhaltiges Reisen: das Reisemagazin „Anderswo“ und das Projekt „Katzensprung“.
Erzähl doch noch mal mehr über die beiden Projekte.
„Anderswo“ gibt es schon seit über 25 Jahren und ist das einzige deutschsprachige Magazin, das über nachhaltige Reiseangebote berichtet. Wir stellen europäische Reiseziele, die man ohne Flugzeug erreicht sowie nachhaltige Unterkünfte und Reiseanbieter vor. Damit wollen wir mehr Menschen inspirieren, diese spannende Art des Reisens auch für sich zu entdecken. Das Projekt „Katzensprung“ gibt es seit letztem Jahr und wird vom Bundesumweltministerium gefördert. Vor allem junge Menschen möchten oft gerne klimaschonend Urlaub machen. Viele wissen aber nicht, dass es in Deutschland tolle Urlaubsangebote gibt. Stattdessen steigen sie in den Flieger und suchen Abenteuer weit weg. Wir haben deutsche Reiseanbieter dazu aufgerufen, ihre spannendsten Reiseerlebnisse oder Angebote innerhalb Deutschlands einzureichen. Von über 100 Bewerbungen haben wir die 50 spannendsten ausgewählt und werden sie nach und nach auf unserer Webseite vorstellen.
Was sind Deine Tipps, um nachhaltig zu reisen?
Da die An- und Abreise 75% des gesamten CO2-Ausstoßes einer Reise ausmachen, ist die größte Stellschraube, um klimaschonend zu reisen, nicht oder so wenig wie möglich zu fliegen und nicht immer so weit weg. Außerdem ist es wichtig, vor Ort regionale Anbieter zu unterstützen anstatt bei den großen Reiseanbietern zu buchen. Davon haben die Leute in der Region nämlich meist kaum etwas. Natürlich sollte man respektvoll mit den Menschen und der Natur vor Ort umgehen. Gerade in Gebieten, in denen Wasser knapp ist, sollte man auch darauf achtet, Wasser zu sparen. Am besten sollte man zudem Unternehmen und Unterkünfte unterstützen, die nachhaltig handeln. Denn sie können oft ein Motor für die gesamte Region sein, weil diese sich dann insgesamt nachhaltiger aufstellt.
Ich habe das Gefühl, dass immer mehr geflogen wird und die Zahl der Flüge steigt. Stimmt das?
Ja, das stimmt, vor allem die Deutschen fliegen immer mehr. Die Universität von Sydney hat vor kurzem eine Studie veröffentlicht, in der rausgefunden wurde, dass die Deutschen inzwischen zu den Reiseweltmeistern gehören und in dem Bereich am meisten CO2 ausstoßen. Mittlerweile trägt der weltweite Tourismus zu 8% der gesamten Treibhausgas-Emissionen bei. Der größte Teil hiervon geht auf Flüge zurück. Ein Flug nach New York und zurück stößt zum Beispiel so viel CO2 aus, wie 1 Jahr lang Autofahren. Bei einem Flug nach Indien verbrauchen wir in etwa so viel CO2, wie ein Inder durchschnittlich in 3 Jahren.
Was hältst Du von Unternehmen, wie zum Beispiel Atmosfair, bei denen man seinen CO2-Ausstoß ausgleichen kann?
Ich sehe das eher kritisch und als Notlösung, wenn sich ein Flug gar nicht vermeiden lässt. Allerdings finde ich es problematisch, wenn damit das Gewissen beruhigt wird und man als Konsequenz nicht weniger fliegt. Letztendlich ist es ja so, dass der Klimaschaden erstmal angerichtet ist, wenn man geflogen ist. Dadurch ist der CO2-Ausgleich meiner Meinung nach keine massentaugliche Lösung. Wenn alle weiterhin fliegen, kann das irgendwann nicht mehr kompensiert werden. Die einzige Lösung ist daher, weniger zu fliegen.
Gibt es auch Lösungsansätze, um Fliegen grüner zu machen?
Ja, es gibt zum Beispiele Ansätze, Solarflugzeuge zu entwickeln. Das ist aber alles noch in weiter Ferne und auch schwer umsetzbar. Fliegen verbraucht einfach so viel Energie, dass das solarbetrieben kaum machbar ist. Ich glaube, wichtiger ist es, Flugreisen teurer zu machen und gleichzeitig das europäische Schienennetz weiter auszubauen, um Zugreisen attraktiver zu machen.
Die Bahn wird ja oft als die nachhaltigste Form des Reisens empfohlen. Kann man das wirklich so pauschal sagen?
Es gibt Berechnungen vom Umweltbundesamt, die ergeben haben, dass der ökologische Fußabdruck der Bahn gegenüber anderen Verkehrsmitteln deutlich am besten ist. Es gibt auch Berechnungen, in denen der Reisebus ein bisschen besser als die Bahn abschneidet. Das bezieht sich dann allerdings auf die Reisebusse, die wirklich gut besetzt sind. Bei Fernbussen, die nach Fahrplan fahren und dann oft nur halb oder noch weniger besetzt sind, ist das wieder anders. Je mehr Menschen im Auto oder im Bus sitzen, desto besser ist natürlich die Bilanz. Bei beiden hat man aber trotzdem das Problem, dass sie in den Städten die Straßen blockieren und Abgase ausstoßen. Das macht die Bahn nicht. Die Deutsche Bahn möchte übrigens bis 2050 komplett auf Ökostrom umsteigen, momentan liegt das bei etwa 40%.
Hast Du das Gefühl, dass sich mehr und mehr Leute für nachhaltiges Reisen interessieren oder sind andere Aspekte, wie der Preis doch wichtiger?
Da gehen Wunsch und Realität ein bisschen auseinander. Laut einer Studie des Bundesumweltministeriums wollen über 60% der Deutschen gerne klimaschonend reisen. Aber die Realität sieht dann doch anders aus. Wir fliegen immer mehr und immer weiter weg. Das liegt sicherlich auch daran, dass viele die tollen Angebote, die es in der Nähe gibt, nicht kennen. Hier setzten wir mit „Anderswo“ und „Katzensprung“ ja an. Andere größere Medien greifen das Thema mittlerweile auch auf und berichten darüber, wie schädlich Flugreisen sind. Die Frage ist aber, wie viel dann letztendlich bei der Bevölkerung ankommt.
Welche Veränderungen wünscht Du Dir von der Politik, der Wirtschaft aber auch von der Gesellschaft im Allgemeinen?
Der ökologische Schaden, den man anrichtet, sollte mit eingepreist werden. Es ist ein Skandal, dass Kerosin noch steuerfrei ist und Flüge oft billiger als Bahnreisen sind. Das muss sich ändern. Gleichzeitig sollte das Europäische Schienennetz weiter gefördert werden. Eine Studie von einem internationalen Bahnverband hat gezeigt hat, dass es mit dem jetzigen Schienennetz und mit modernen Hochgeschwindigkeitszügen möglich wäre, in einer Nacht 2.000 km in Europa zurückzulegen. Das wird aber eben nicht angeboten. Die Deutsche Bahn hat ja sogar ihren Nachtzugverkehr eingestellt. Ein weiteres großes Problem ist, dass Bahnanbieter an den Betreiber des Schienennetzes große Abgaben machen müssen. An solchen Regelungen müsste sich dringend etwas ändern. Wir sollten zudem mehr Bewusstsein entwickeln, was so ein Flug eigentlich anrichtet. In den letzten Jahren ist Reisen ja fast so eine Art Statussymbol geworden. Je weiter weg, desto interessanter und besser. Wir sollten wieder viel mehr das Erlebnis in den Mittelpunkt stellen und achtsamer reisen.
Was ist Dein liebstes Reiseziel?
Ich reise am liebsten an einen kleinen Ort an der Costa Dorada in Spanien. Meine Großeltern sind vor 50 Jahren das erste Mal und seitdem jedes Jahr dorthin gereist. Meine Mutter hat dort als Kind gespielt und ich später auch. Mittlerweile fahre ich jedes Jahr wieder hin. In diesem Herbst lege ich die Strecke zum ersten Mal mit dem Zug zurück. Das dauert zwar fast einen ganzen Tag, aber die Strecke soll sehr schön sein. Ich finde, das Besondere am Zugreisen ist ja, dass es nicht nur darum geht, von A nach B zu kommen, sondern es ist ein Erlebnis und schon Teil des Urlaubs.
Was möchtest Du denjenigen, die jetzt Lust haben, auch mal nachhaltig zu reisen, mit auf den Weg geben?
Nachhaltiges Reisen braucht sicherlich mehr Zeit. Ich sehe das aber ganzheitlich: Sowohl beim Reisen als auch im täglichen Leben sollten wir uns mehr Zeit nehmen. Außerdem möchte ich dazu anregen, öfters auch mal vor der eigenen Haustür zu schauen. In Deutschland gibt es insgesamt 105 Naturparks. Das heißt, jeder hat einen vor der Haustür. Wenn man immer mal wieder kleinere Auszeiten nimmt und die Natur erlebt, dann muss man auch nicht das ganze Jahr über auf diese eine Fernreise hinfiebern. Wenn man im Alltag schon viel mehr Entschleunigung und Entspannung erfährt, dann muss man am Ende auch nicht mehr so gehetzt reisen.
Vielen Dank für das Interview, liebe Marcella!
Dieser Beitrag stellt tolle nachhaltiges Initiativen vor und kann daher als Werbung gesehen werden. Ich möchte aber betonen, dass ich dafür kein Geld bekomme. Ich stelle nur das vor, von dem ich selber überzeugt bin.
Hier könnt ihr alles über Marcella’s Reisen nachlesen: https://www.getonyourway.de/
Nachhaltige Reisetipps findet ihr auf: https://www.wirsindanderswo.de/ und auf https://www.katzensprung-deutschland.de/
Ihr wollt noch mehr Infos? Könnt ihr haben:
Folgende Lobbyverbände, setzen sich für umweltfreundlicheres Reisen ein: Allianz Pro Schiene; Verkehrsclub Deutschland; International Union of Railway
Ein Kommentar zum Thema „grüner Fliegen“ gibt es auf GEO.de: https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit/18853-rtkl-kolumne-alles-im-gruenen-bereich-warum-gruenes-fliegen-unsinn-ist
Der Kölner Stadtanzeiger über nachhaltigen Tourismus und ob man dafür mehr Zeit zum Planen braucht: https://www.ksta.de/ratgeber/reise/nachhaltiger-tourismus-wer-mit-gutem-gewissen-reisen-will–benoetigt-zeit-zum-planen-30596772#
Die Süddeutsche Zeitung zeigt drastisch auf, welche Auswirkungen des Fliegens auf das Klima hat: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/reisen-fliegende-konsumenten-1.3996006
Ein Plädoyer für Slow Travel gibt es im Transform Magazin: https://www.transform-magazin.de/slow-travel-warum-langsamer-reisen-mehr-spass-macht/
Wer doch nicht so ganz aufs Fliegen verzichten möchte und gerne auf des Deutschen Lieblingsinsel fährt, dem habe ich hier nachhaltige Tipps in Palma de Mallorca zusammengestellt: https://greenerlicious.de/nachhaltige-reisetipps-fuer-palma-de-mallorca/
Hallo,
vielen Dank für das tolle Interview. Nachhaltiges Reisen ist auch mir eine Herzensangelegenheit. Ich habe mittlerweile knapp die Hälfte aller Länder Europas besucht ohne ein einziges Mal in den Flieger zu steigen. Und das war keine Qual, sondern ein großes Vergnügen. Wer am Boden bleibt, erlebt mehr!
Als Naturwissenschaftler habe ich allerdings noch eine Anmerkung zum Artikel: Es heißt nicht CO „hoch zwei“, sondern die zwei gehört tiefgestellt (Subskript).
Viele Grüße,
Sebastian
Lieber Sebastian,
das ist toll. Mit dem Zug durch Europa ist auch ein Traum von mir. Ein paar Länder habe ich schon besucht, aber es fehlen noch einige. Vielen Dank auch für den Hinweis mit dem CO2 😉
Viele Grüße
Julia