Eine Fahrradtour von Paris bis Berlin, im Schlepptau ein Flamingo aus Müll. Hört sich verrückt an, aber genau das hat sich Clara Bütow vorgenommen. Vom 24. August bis zum 20. Oktober fährt sie durch Frankreich, Belgien, die Niederlanden und Deutschland. Mit ihrer Traveling Trash Tour möchte sie auf die Plastikmüllproblematik aufmerksam machen und Lösungen vorstellen. Ich habe mit ihr telefoniert, um über die Tour, Herausforderungen, ihre Ziele und Visionen für die Zukunft zu sprechen.
Wo befindest Du Dich gerade?
Ich bin gerade an einem Fluss, 25 km von Lille in Frankreich entfernt. Das heißt, wir haben jetzt schon fast die Etappe von Paris bis Lille und damit auch das erste Land auf der Traveling Trash Tour geschafft.
Was genau ist die Traveling Trash Tour?
Die Traveling Trash Tour ist im Prinzip eine Fahrradtour, mit der ich auf das Problem von Plastikmüll aufmerksam machen sowie Lösungen aufzeigen möchte. Die Tour geht von Paris über Belgien und die Niederlande bis nach Berlin. Die knapp 2.000 km lange Strecke lege ich komplett mit dem Fahrrad zurück, an das ein Anhänger geschraubt ist. Hierauf steht eine Skulptur, ein gut 1,90 m großer Flamingo, der komplett aus Müll gebaut ist, den ich auf den Straßen von Paris gefunden habe. Das ist unser Trashmingo Dan, wie ich ihn getauft habe. Das ist vielleicht eine etwas ungewöhnliche Idee, aber genau das soll sie auch sein.
War geplant, einen Flamingo zu bauen oder kam dir die Idee erst beim Müll sammeln?
Die Idee kam mir tatsächlich erst dann. Ich wollte mich nicht festlegen, weil ich noch abwarten wollte, was ich finde und worauf ich Lust habe. Ich hatte allerdings bestimmte Anforderungen. Ich brauchte zum Beispiel etwas, das ein sehr schmales Gehäuse hat, sehr stabil und möglichst hoch ist, damit ich auf der Straße nicht so breit bin und damit man die Skulptur auch noch sieht, wenn ein Auto neben mir fährt. Am Anfang wollte ich am liebsten einen Elefanten machen, weil ich einen TedX-Talk gehalten habe, den ich „1 Milliarde Plastikelefanten“ genannt habe, um die Menge des Plastiks, dass wir bisher auf der Welt produziert haben, zu verbildlichen. Nun ist es aber ein Flamingo geworden, der ja irgendwie das Trendtier des Sommers 2018 ist.
Was genau passiert auf der Tour?
Mit der Tour wende ich mich vor allem an Einzelpersonen, aber auch an Unternehmen. Das heißt, ich besuche verschiedene Initiativen, die sich mit Müllvermeidung und der Kreislaufwirtschaft auseinandersetzen. Ich organisiere außerdem in verschiedenen Städten Veranstaltungen, auf denen Lösungen von alternativen Formen des Konsums und der Produktion diskutiert werden. Die Events mache ich immer in Kooperation mit lokalen Initiativen, weil es mir darum geht, vorzustellen, was es schon gibt. Ich möchte ihnen eine Bühne geben, auf der sie ihre Ideen präsentieren können. Ich möchte die richtigen Fragen stellen und rausfinden, was fehlt, um diese Lösungen auf einer größeren Skala anwenden zu können und systemweit eine Transformation zu schaffen. Es geht auch darum, Initiativen zu vernetzen und an die Öffentlichkeit bringen, dass so sinnvolle Ideen noch stärker durchgesetzt werden.
Wie finanzierst du die Tour?
Ich habe im Vorfeld eine Crowdfunding-Kampagne gemacht, die sehr gut gelaufen ist. Am vorletzten Tag hatte ich zum Beispiel eine anonyme Spende von 1.500 Euro. Als ich das gesehen habe, bin ich komplett vom Stuhl gefallen. Es war wirklich toll zu sehen, wie viele Leute sich plötzlich für mein Projekt begeistern. Ich selber habe bestimmt 2.000 Euro von meinem persönlichen Geld in die Vorbereitung gesteckt. Deswegen war es einerseits natürlich wichtig, dieses Geld zu sammeln, um die Reise finanzieren zu können. Andererseits war es aber auch toll, während der Kampagne die Begeisterung zu sehen und eine Bestätigung für die Idee zu bekommen.
Die Idee ist ja auch toll und macht neugierig. Wie bist du eigentlich darauf gekommen, 2.000 km mit dem Fahrrad zu fahren?
Das war ein längerer Prozess. In meinem Podcast Impact Revolution beleuchte ich verschiedene Nachhaltigkeitsthemen – von der Modeindustrie, Plastik im Badezimmer über Essensretter bis hin zu Kreislaufsystemen für Trinkbecher. Nachdem ich die Gründerin des Münchner Unverpacktladens „Ohne“ interviewt habe, habe ich einen Monat ausprobiert, plastikfrei zu leben. Das war nicht immer einfach, aber ich habe auch gemerkt, dass es nicht unmöglich ist. Inzwischen leben ich zwar nicht komplett plastikfrei, aber ich produziere etwa ein Viertel des Abfalls einer normalen Person. So habe ich das Thema Plastik für mich entdeckt, mich immer weiter informiert und irgendwann kam dann die Idee für die Tour. Über meinen Podcast war ich außerdem in Kontakt mit dem Aktivisten Dhruv Boruah, der mit einem schwimmenden Fahrrad Müll auf der Themse gesammelt hat. Als ich ihm von meiner Idee erzählte, gab er zu bedenken, dass so viele Menschen Fahrradtouren für ganz verschiedene Zwecke machen und dass ich etwas bräuchte, dass für jeden, an dem ich vorbeifahre sichtbar macht, wofür ich stehe. Da kam mir die Idee mit der Skulptur. Er hatte natürlich wahnsinnig Recht, dass ich dieses Element unbedingt dazu nehmen muss. Der Flamingo ist ein absoluter Hit, vor allem bei den Kids, die drauf zeigen und drüber reden möchten. Man stößt sofort ein Gespräch an und löst bei den Leuten einen Gedanken aus. Außerdem sieht der Flamingo einfach so lustig aus und es ist eine Möglichkeit auf eine positive Art auf das Thema aufmerksam zu machen.
Gab es auch Herausforderungen?
Absolut. Es ist schon viel für eine Person, was ich mir vorgenommen habe. Ich habe natürlich viele Unterstützer – Freunde, aber auch Leute, die mich einfach so angeschrieben haben und die mir helfen möchten. Dafür bin ich unfassbar dankbar und ohne diese Hilfe wäre es gar nicht machbar. Trotzdem ist alles in meinem Kopf. Ich musste mir überlegen, welche Route ich fahre, wie ich eigentlich diese Skulptur baue, welche Events ich mache, was ich in der jeweiligen Stadt hervorheben möchte, wie ich das Ganze nach außen kommunizieren und so weiter. Das waren alles Sachen, die ich zum ersten Mal gemacht habe. Es funktioniert aber erstaunlich gut. Was mir am meisten geholfen hat, war keine Angst zu haben, sondern darauf zu vertrauen, dass sich unterwegs eine Lösung findet.
Gibt es etwas, worauf Du dich ganz besonders freust?
Ich freue mich auf viele kleine Sachen unterwegs. Ich habe in der Vorbereitung schon alle Länder bereist, war in allen vier Hauptstädten und habe mich vernetzt. Jetzt freue ich mich einfach wahnsinnig, dass es losgeht und ich die tollen Initiativen präsentieren darf. Berlin ist für mich natürlich irgendwie ein Highlight, weil ich dann weiß, dass ich die Tour körperlich und überhaupt geschafft habe. Aber auch in den anderen Städten gibt es so viele tolle Projekte, auf die ich mich freue.
Wie geht es nach der Tour mit Impact Revolution weiter?
Das weiß ich noch nicht genau, aber ich freue mich darauf, es herauszufinden. Wie gesagt, ich vertraue gerade ziemlich, dass alles irgendwie klappt. Ich möchte die Reise auch dafür nutzen, zu schauen, was es schon gibt und wo noch Bedarf besteht, den ich mit Impact Revolution eventuell decken kann. Es könnte sein, dass ich in die Beratungsrichtung gehe und mich auf Müll und Plastik spezialisiere, es kann aber auch sein, dass ich mit dem Podcast weitermache und mehr in die Öffentlichkeitsarbeit gehe. Ich liebe Veranstaltungen, rede gerne, gebe aber auch gerne anderen Menschen die Bühne. Ganz konkret würde ich gerne einen Dokumentarfilm über die Tour machen. Ich filme gerade so viel ich kann und möchte das auf jeden Fall teilen. Ob das dann kleine Videos werden oder ein ganzer Film hängt davon ab, wie ich das im Anschluss finanziert bekomme und ob ich Leute finde, die sich mit Schnitt auskennen und wissen, wie man einen Film macht. Denn wenn, dann möchte ich es schon richtig machen.
Wenn du an 2030 denkst, das Jahr in dem die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN erreicht werden sollen. Was ist deine Vision für das Jahr und was muss geschehen, um sie zu erreichen?
Ich sehe ein großes Problem darin, dass wir viel zu viel reden und viel zu wenig machen. Daher wünsche ich mir, dass mehr Gelder in Projekte gesteckt werden, anstatt Delegierte durch die ganze Welt zu schicken, um nur über Lösungen zu reden. Außerdem wünsche ich mir, dass wir eine Art Skala haben, an der erkennbar ist, wo ein Unternehmen in Bezug auf die jeweiligen Ziele steht, um Konsumenten zu ermöglichen, bessere Entscheidungen zu treffen. Wir brauchen aber natürlich auch bessere Regeln und Gesetze. Allerdings bezweifle ich, dass wir die Sustainable Development Goals erreichen. Dass wir uns ihnen annähern und auf dem richtigen Weg sind, bezweifle ich nicht, denn sowohl Unternehmen als auch Zivilorganisationen und die Politik haben sie immer mehr auf dem Schirm.
Welche Tipps würdest du Leuten geben, die nachhaltiger leben möchten?
Für mich fängt eigentlich alles mit Bewusstsein an. Wir sollten mehr darauf achten, wie wir unser Geld investieren, wie wir konsumieren, aber auch für wen wir arbeiten und was wir damit bewirken. Es ist wichtig, zu verstehen, dass jeder Euro eine Investition in die Welt ist, in der man leben möchte und dass Wert nicht nur Geld ist. Eine Biotomate ist vielleicht teurer als eine industriell hergestellte Tomate, aber sie steht auch für so viel mehr, wie etwa die Unterstützung regionaler Landwirtschaft und die Vermeidung von Pestiziden. Am Anfang sollte man aber auch nicht zu streng mit sich sein und sich erlauben, Schritt für Schritt zu gehen. Wenn man es auf Müll bezieht, fängt man vielleicht mal im Badezimmer oder mit Lebensmitteln an. Das andere kommt dann schon dazu.
Zum Abschluss noch die Frage: Wie kann man dich denn noch unterstützen?
Es gibt viele Möglichkeiten, noch Teil der Tour zu sein. Alle Routen sind offen. Jeder kann uns also für eine Stunde, einen Tag oder die ganze Tour begleiten. Über Facebook habe ich zum Beispiel Diego kennengelernt, der eigentlich in die Türkei wollte. In den Dolomiten hat er sich aber entschieden, nach Paris zu fahren und mit mir die Tour zu machen. Außerdem sind natürlich Schlafmöglichkeiten auf der Route immer willkommen. Wir freuen uns, wenn möglichst viele Menschen zu den Events kommen, uns mit Initiativen in den Städten vernetzen, darüber reden und andere teilhaben lassen. Zu guter Letzt wäre es natürlich toll, jemanden zu finden, der Lust hat, den Dokumentarfilm über die Tour zu produzieren!
Vielen lieben Dank für das Interview, liebe Clara!
Weitere Informationen über die Tour findet ihr unter: https://impactrevolution.eu/ttt/
Hier könnt ihr Clara, Diego und Dan folgen und über die Tour und alle Termine auf dem Laufenden gehalten werden:
https://www.facebook.com/theimpactrevolution
https://www.instagram.com/impact_revolution/
Hört außerdem unbedingt mal in den Podcast von Clara rein: https://impactrevolution.eu/thepodcast/
Dieser Beitrag stellt eine tolle nachhaltige Initiative vor und kann daher als Werbung gesehen werden. Ich möchte aber betonen, dass ich dafür kein Geld bekomme. Ich stelle nur das vor, von dem ich selber überzeugt bin.