Allein in Deutschland werden stündlich etwa 1,8 Millionen Einweg-Plastikflaschen verbraucht. Gerade bei Wasser erscheint diese hohe Zahl einfach nur absurd, denn immerhin haben wir in Deutschland hervorragendes, trinkbares Leitungswasser. Das hat sich auch der Berliner Verein a tip:tap gedacht. Er hat sich zum Ziel gesetzt, noch mehr Menschen zu Leitungswasser-Trinker*innen zu machen und damit der Plastikflasche den Kampf ansagen. Ich habe mich mit Kaya Triebler getroffen, die bei a tip:tap im Projekt „Wasserkiez“ arbeitet. Mit ihr habe ich über die Qualität von Leitungswasser, die Projekte des Vereins und ihre Wünsche an die Politik gesprochen.
Liebe Kaya, danke, dass du dir die Zeit nimmst, mir Rede und Antwort zu stehen. Erzähl doch zu Beginn nochmal, was denn eigentlich genau das Problem mit Flaschenwasser ist.
Wasser in Flaschen ist einfach ökologischer Irrsinn. Um eine Plastikflasche herzustellen werden ¼ Liter Erdöl, über ein Liter Wasser und jede Menge Energie benötigt. Dann wird diese Flasche zur Quelle gebracht, wo sie mit Wasser befüllt wird. Von da aus wird sie weiter zum Supermarkt transportiert – und das oft über hunderte, manchmal tausende Kilometer. Das verbraucht natürlich alles unheimlich viel CO2. Glasflaschen sind auch nicht viel besser. Sie sind zwar nicht aus Erdöl, sondern aus Sand und lassen sich auch besser recyclen, dafür sind sie aber viel schwerer und verbrauchen im Transport viel mehr CO2 als Plastikflaschen. Daher sind beide keine Alternative zu Leitungswasser. Wir haben in Deutschland das Glück, dass unser Leitungswasser eine sehr hohe Qualität hat. Die Trinkwasserverordnung, an die sich alle Wasserwerke und Hausbesitzer halten müssen, ist sogar viel strenger als die Mineral- und Tafelwasserverordnung. Die meisten glauben, dass Mineralwasser sicherer ist, aber tatsächlich sind die Grenzwerte hier viel geringer als beim Wasser aus der Leitung.
Was ist denn mit alten Rohren? Beeinflussen die, ob das Wasser trinkbar ist oder nicht?
Was gefährlich für unseren Körper sein kann, sind Bleirohre. Die sind allerdings seit den 70er Jahren verboten und wurden eigentlich überall ausgetauscht. Wer aber auf Nummer Sicher gehen will, kann einen Bleitest machen. Hier in Berlin kostet der um die 15 Euro, für Schwangerere oder Haushalte mit einem Kind unter 12 Monaten ist der Test sogar umsonst. Grenzwertüberschreitungen kommen aber eher vor, wenn der Wasserhahn nicht sauber gehalten oder ein Filter benutzt wird, der nicht regelmäßig gewechselt wird. Dadurch bilden sich dann Keime. Außerdem sollte man morgens das sogenannte Stagnationswasser, also das Wasser, dass über Nacht in den Leitungen gestanden hat, ablaufen lassen. Wasser ist einfach am frischesten, wenn es fließen kann. Deshalb macht auch Flaschenwasser keinen Sinn.
Leitungswasser ist ja bestimmt auch viel günstiger, oder?
Auf jeden Fall. Wenn man zum Beispiel rechnet, dass eine 3-köpfige Familie am Tag jeweils eine Flasche Wasser trinkt und sie die günstigste aus dem Supermarkt nehmen, die etwa 19 Cent kostet, dann wären das schon 208 Euro im Jahr. Die meisten trinken aber mehr und nehmen auch nicht die günstigste. Im Vergleich: Leitungswasser kostet einen halben Cent pro Liter. Aber oft bleibt uns ja gar keine andere Wahl, als Wasser in Flaschen zu kaufen, wenn wir nicht unser eigenes dabei haben. In südlichen Ländern ist es ganz normal, dass es an jeder Ecke einen Brunnen gibt und man im Restaurant Leitungswasser bekommt. Hier wird man teilweise sogar komisch angeschaut, wenn man danach fragt.
Damit sich das hoffentlich bald ändert, gibt es ja a tip: tap. Was genau sind eure Ziele?
Das Ziel von a tip: tap ist, mehr Menschen zu motivieren, Leitungswasser zu trinken. Wir setzen uns dafür ein, dass überall Leitungswasser kostenfrei zur Verfügung gestellt wird, dass es mehr Trinkbrunnen im öffentlichen Raum gibt und dass wir keine Plastikflaschen mehr brauchen, sondern jeder seine eigene Trinkflasche dabei hat.
Seit wann gibt es den Verein?
2011 haben sich ein paar Freunde zusammengetan und gesagt: „Lass mal die Welt retten, aber ganz einfach“. So sind sie auf a tip: tap gekommen, denn die einfachste Sache, mit der man etwas für die Umwelt tun kann, ist einfach kein Wasser in Flaschen zu kaufen. Das erste Projekt war im Rahmen einer europäischen Kooperative mit Student*innen aus Bilbao in Spanien. Während es dort schon mehr als 100 Trinkbrunnen gab, gab es in Berlin gerade mal 15, obwohl die Stadt ja viel größer ist. Gemeinsam haben sie einen Trinkbrunnen in Neukölln finanziert. Der steht übrigens immer noch. So hat das angefangen mit dem Brunnenbau und hat sich nach und nach weiterentwickelt.
Wir sprechen ja gleich noch mehr über „Wasserkiez“, das Projekt, in dem du arbeitest. Was habt ihr denn sonst noch für Projekte?
Neben „Wasserkiez“ ist „Leitungswasserfreundliche Schule“ unser größtes Projekt. Das gibt es mittlerweile auch bundesweit. Neben Berlin machen auch Schulen in Brandenburg und Hessen mit. Im Rahmen des Projekts gibt es Workshop-Tage und die Schüler*innen setzen sich für einen Brunnenbau in der Schule ein. Dabei müssen sie alles selbst organisieren. Sie entscheiden, wo der Brunnen hingebaut wird, überlegen welche Maßnahmen dafür wichtig sind, wie sie die Finanzierung dafür bekommen und wie sie andere Schüler*innen dafür begeistern. Das ist natürlich richtig cool für sie, wenn sie merken, dass sie selbst etwas umsetzen können. Wir haben zudem gerade ein kleineres Projekt, in dem ich für zwei Monate einmal wöchentlich in einer Willkommensklasse zum Thema Wasser unterrichtet habe. Die bekommen hoffentlich auch noch einen Brunnen. Ansonsten haben wir noch kleinere Aktionen, wie etwa einen Stand auf dem Fest zum Tag der Deutschen Einheit oder beim Umweltfestival. Seit Dezember gibt es ein neues Projekt. Wir drehen einen Werbefilm für Leitungswasser, der dann in den Kinos ausgestrahlt wird. Außerdem wird es begleitend eine Social Media Kampagne geben.
Du arbeitest ja hauptsächlich in dem Projekt „Wasserkiez“. Was genau macht ihr in dem Projekt?
Mit „Wasserkiez“ möchten wir gebündelt den Kiez um den Mariannenplatz in Berlin Leitungswasserfreundlich machen. Hierfür arbeiten wir mit unterschiedlichen Zielgruppen. Angefangen haben wir mit Wassertests für ca. 80 Anwohner*innen, da viele immer noch skeptisch sind, ob sie Leitungswasser trinken können oder nicht. Die Berliner Wasserbetriebe haben diese Tests gesponsert und auch vorgenommen, da sie eher aufwendiger waren. Im Internet kann man eine Karte mit den einzelnen Messwerten einsehen. Wir sind außerdem mit unserer Handpuppe „Tropfi“, unserem Maskottchen, an Schulen und Kitas gegangen und haben über Wasser informiert. Beim Schulfest haben die Kinder dann einen Stand gemacht, wo sie Blindgeschmackstests durchgeführt haben, welches Wasser – das aus der Leitung oder Flasche – besser schmeckt. Leitungswasser schneidet dabei immer sehr gut ab. Die meisten schmecken keinen Unterschied oder das Leitungswasser schmeckt ihnen besser. Wir zeigen außerdem auf, wo man im Kiez schon seine Flasche auffüllen kann und treiben voran, dass das an noch viel mehr Orten möglich ist. Ein Brunnen wird hoffentlich auch noch gebaut. Zudem beraten wir Unternehmen und Vereine im Kiez, sowie in ganz Berlin, beim Umstieg auf Leitungswasser. Wir klären über die Qualität von Leitungswasser auf, warum es sich sowohl finanziell als auch für die Umwelt lohnt und zeigen auf, wie man Leitungswasser hübsch herrichten kann, damit Leute motiviert sind, zur Karaffe und nicht zu Mineralwasser zu greifen. Das Projekt läuft jetzt seit einem Jahr und tatsächlich hat es so etwas noch nie in Deutschland gegeben.
Was für ein tolles Projekt. Habt ihr vor, es auf andere Kieze auszuweiten?
Wir möchten das Projekt bundesweit ausrollen und suchen hierfür noch Partner in anderen Städten. Das kann eine Stadt oder Region sein, wichtig ist, dass sie nicht zu groß sind, da ja viel über die Vernetzung auf lokaler Ebene geht.
Was sind eure größten Erfolge?
Ich denke, der Start des Vereins war ein großer Erfolg. Der Brunnen, der dort gebaut wurde war ja der 16. Brunnen in Berlin und er steht immer noch. Mittlerweile gibt es bereits 49 Trinkbrunnen. Das ist für Berlin natürlich immer noch total wenig. Aber das wird sich bald ändern, denn seit März ist Berlin offiziell „Blue Community“, ein Schritt, den wir auch maßgeblich mit vorangetrieben haben. „Blue Community“ ist ein Netzwerk von Partnern, wie etwa ein Kiez, eine Schule oder eben auch eine Stadt, die Wasser als Menschenrecht anerkennen. Hierzu gehört auch die Förderung von Leitungswasser vor Mineralwasser. Dafür plant die Stadt Berlin in den nächsten zwei Jahren 100 neue Brunnen zu bauen.
Das ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Was wünscht ihr euch noch von der Politik?
Momentan passiert politisch sehr viel. Vor kurzem hat die Bundesumweltministerin einen 5-Punkte Plan gegen Plastikmüll vorgestellt. Darin ist auch vorgesehen, dass es mehr Nachfüllstationen an öffentlichen Plätzen geben soll. Das ist natürlich super. Ich fände es zusätzlich noch toll, wenn auf Veranstaltungen von Behörden oder Ministerien genauso wie bei öffentlichen Veranstaltungen, Kantinen und Schulen nur noch Leitungswasser ausgeschenkt wird. Was man zu Hause macht, ist ja auch abhängig davon, wie es vorgelebt wird.
Hast du zuletzt noch einen Tipp, wie man unterwegs seine eigene Flasche auffüllen kann, auch wenn es keinen Brunnen gibt?
Es gibt zum Beispiel die Initiative „Refill“, bei der Restaurants, Cafés oder Läden einen Sticker an ihre Türe kleben und damit zeigen, dass sich hier jeder seine Flasche auffüllen darf, ohne dass man sich hinsetzen oder irgendwas kaufen muss. Viele Städte machen schon mit. Wir koordinieren zum Beispiel Refill-Berlin. Auf der Internetseite oder App sieht man, wo die nächste Refill-Station in meiner Umgebung ist. Ich muss allerdings sagen, dass ich das in jedem Laden mache und bisher hat es immer geklappt, wenn man freundlich fragt. Ich finde es auch gut, Läden anzusprechen, die keine Refill Station sind und sie damit darauf aufmerksam zu machen. Für diejenigen, die aber Hemmungen haben, einfach so zu fragen, ist der Sticker eine gute Sache. Außerdem ist er ein Statement für mehr Leitungswasser.
Vielen Dank für das Interview, liebe Kaya!
Hier könnt ihr mehr über a tip:tap und die Projekte des Vereins erfahren:
Ihr wollt noch mehr wissen? Dann mal hier entlang:
In Berlin setzt sich der Berliner Wasserat für die Demokratisierung von Wasser ein. Auf seiner Webseite findet ihr jede Menge Informationen und die Termine für die nächsten Treffen: http://www.berliner-wasserrat.de/
Auf europäischer Ebene setzt sich die Initiative Right 2 Water für Wasser als Menschenrecht ein: https://www.right2water.eu
Dieser Artikel nimmt das Leitungswasser genau unter die Lupe und beantwortet die Frage, ob man es wirklich bedenkenlos trinken kann: https://utopia.de/ratgeber/kann-man-leitungswasser-deutschland-wirklich-trinken/
In diesem Jahr hat eine Studie herausgefunden, dass in Flaschen abgefülltes Wasser oft Plastik enthalten kann. Hier erfahrt ihr mehr.