Wir tun es jeden Tag mehrmals. Wir suchen im Internet nach etwas – und generieren damit Einnahmen. Google verdient über seine Werbepartner 150 Millionen Dollar – pro Tag. Stellt euch vor, dass mit diesen Einnahmen Projekte unterstützt würden, die die Welt positiv verändern. Genau das macht die Internetsuchmaschine Gexsi (Global Exchange for Social Investment), die Ende letzten Jahres online ging. Ich habe mich mit Kevin Fuchs und Andreas Renner, zwei der Köpfe hinter Gexsi, zusammengesetzt, um zu erfahren, wie genau das funktioniert und was die Vision der Plattform ist.
Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt, mit mir zu sprechen. Startet doch mal damit, zu erzählen, was Gexsi ist.
Andreas: Gexsi ist eine Suchmaschine mit Sinn. Sie funktioniert ähnlich wie Google, ist aber in ein soziales Geschäftsmodell verpackt. Mit unseren Einnahmen unterstützen wir innovative soziale Projekte, die einen Beitrag zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN – den sogenannten SDGs – leisten.
Wieso eine Suchmaschine?
A: Das, was uns schon immer umgetrieben hat, war die Frage, wie Sozialunternehmer, die einen Beitrag für die Gesellschaft leisten, finanziert werden können. Viele innovative Projekte passen in keine Schublade. Sie werden von Stiftungen nicht gefördert, erhalten aber auch von Banken keine Finanzierung. Nach diversen Anläufen haben wir realisiert, dass es im digitalen Zeitalter ein sehr geniales Tool gibt, bei dem Gelder generiert werden, die genau hierfür eingesetzt werden können. Letztendlich erzielt eine Suchmaschine Werbeeinnahmen. Das ist erstmal nicht gemeinnützig, aber wir haben ein gemeinnütziges Dach drüber gebaut. So können wir sehr unkompliziert genau die Projekte unterstützen, die weder von gemeinnützigen Trägern noch von kommerziellen Investoren unterstützt werden. Wir füllen damit eine Lücke.
Wie funktioniert das technisch?
Kevin: Schlussendlich gibt es zwei Möglichkeiten. Google ist als Suchmaschine weltweit natürlich absolut marktführend. Dann gibt es noch Bing. Wenn man so etwas macht, wie wir, muss man mit einem dieser zwei Partnern zusammenarbeiten. Wir haben uns für Bing entschieden. Bing ist in dem Sinne unser Technologiepartner, der die Suchergebnisse einspielt. In 9 von 10 Fällen bekommt man das Ergebnis, dass man auch bei Google bekommt. Wer ein bestimmtes Feature nutzen möchte, wie etwa Google Maps kann über die von uns integrierte Google Navigationsbar die Applikation direkt aufrufen, ohne den Suchbegriff erneut einzugeben. Wer zu Gexsi wechselt, muss auf nichts verzichten und hilft mit jeder Suche Initiativen, die die Welt verbessern. Und obendrein reduziert er – oder sie – seinem digitalen Fußabdruck.
Könnt ihr dazu nochmal mehr zu sagen?
A: Die meisten von uns nutzen diverse Google Programme, haben vielleicht ein Google Account, nutzen den Chrome Browser, YouTube, Google Maps und mehr. Das sind alles Dinge, bei denen Google Datenpunkte vernetzt. Wenn man täglich obendrein die Suche auch noch über Google macht, dann sind das so viele Daten an so vielen Ecken, dass Google ziemlich genau weiß, wer man ist und was man tut oder denkt. Mit Gexsi nehmen wir nehmen ein Element raus, indem Suchanfragen außerhalb der Google-Sphäre getätigt werden. Je mehr wir Spuren verteilen, desto schwieriger wird es für Dritte, persönliche Nutzerprofile zu erstellen. Dies gilt für Google gleichermaßen wie für Bing und weitere.
Wie sieht das denn eigentlich mit dem Strom aus? Eine Suchmaschine frisst ja jede Menge Strom. Versucht ihr da auch drauf zu achten, indem ihr zum Beispiel Ökostrom nutzt oder hängt das von Bing ab?
K: De facto ist es so, dass jede Suchanfrage und jede E-Mail Ressourcen verschlingt, wenn auch nur minimal. Aber summiert macht das schon was aus. Unsere Server, auf denen unsere Webseite laufen sind CO2-neutral und laufen beispielsweise mit Ökostrom. Sowohl Google als auch Microsoft haben ihre Datenzentren inzwischen weitgehend auf erneuerbare Energien umgestellt und investieren Milliarden in erneuerbare Energien; Google liegt hier sogar vorne.
A: Ich halte wenig von der Idee, mit den mit unseren Nutzern gemeinsam erwirtschafteten Geldern eigene Solaranlagen aufzubauen, wie es neben Google und Microsoft neuerdings auch Ecosia begonnen hat. Wir können die Gelder so viel effektiver einsetzen, indem wir die wirklich innovativen Projekte fördern und ihnen zum Durchbruch verhelfen. Letztlich ist das auch für die CO2 Bilanz der stärkere Hebel. Wir haben uns mit Gexsi schon an Solarkiosken in Ruanda und schwimmenden Solaranlagen auf den Malediven beteiligt oder ein CO2-Einsparprojekt im Virunga Nationalpark unterstützt. Für Solaranlagen in Deutschland gibt es genügend Geld; hierfür braucht es uns nicht.
Nach welchen Kriterien sucht ihr Projekte Vielleicht könnt ihr ein paar Beispiele nennen?
K: Bei der Auswahl der Projekte orientieren wir uns nach den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN. Wir verstehen uns – also alle Gexsi Nutzer – als Global Goals Supporter. Ein Projekt, das ich sehr gerne mag, ist zum Beispiel die Initiative „EinDollarBrille“, die über 150 Millionen Menschen auf der Welt Zugang zu einer kostengünstigen Brille ermöglichen möchte und hierfür ein dezentrales soziales Franchise-System aufbaut.
A: Wir versuchen, Projekte vorzustellen, bei denen sich unsere Nutzer selbst auch engagieren oder inspirieren lassen können. Ob das jetzt die App gegen Plastikmüll von dem Verein „Küste gegen Plastik“ ist, bei der man sich über zu viel Plastikmüll bei Verpackungen direkt beim Hersteller beschweren kann, oder das Berliner Startup Conflict Food, die eine Crowdfunding Kampagne über Startnext hatten, bei der man sie unterstützen konnte. Es geht immer darum, zu zeigen, dass es tolle Lösungen gibt, die die Welt positiv verändern. Wir möchten diesen positiven Spirit teilen und inspirieren. Daher spielen wir zusätzlich auf der Landing Page auch die Good News ein mit ihrer täglichen Dosis guter Nachrichten. Das tut gut.
Wie findet ihr die Projekte?
A: Das ist ganz unterschiedlich. Ich bin seit 10 Jahren in dem Sektor unterwegs und kenne dadurch viele Organisationen, die mit solchen Projekten arbeiten. Außerdem gibt es diverse Wettbewerbe, an die man sich andocken kann. Wir haben klare Kriterien definiert und diese auf unserer Webseite online gestellt. Zum einen ist das natürlich der Beitrag zu den SDGs. Zweitens ist uns ein Ansatz wichtig, der innovativ ist, also das, was man als Social Innovation oder als Social Entrepreneurship bezeichnen kann. Es braucht neue Ideen, die irgendwo auch eine Story haben, die ein „Aha-Effekt“ auslösen und Menschen anspornen, auch aktiv zu werden. Drittens suchen wir „Win-Win-Situationen“. Das heißt, wir möchten ganz gezielt Organisationen unterstützen, bei denen wir uns zum Beispiel an einer aktuellen Kampagne beteiligen können und als Partner gemeinsam von der Medienreichweite profitieren.
Wenn ein Projekt alle diese Kriterien erfüllt, kann es dann bei euch bewerben bzw. kann man Projekte vorschlagen, die passen?
A: Es wird bald ein Formular auf der Webseite geben und wir freuen uns über Ideen und Hinweise. Wir haben auch schon Projekte aufgegriffen, die aus der Community herangetragen wurden. So gesehen freuen wir uns über Input, auch wenn wir die Erwartungen ein bisschen dämpfen müssen. Es gibt einfach unglaublich viele tolle Projekte.
Wie lange werden die Projekte jeweils unterstützt?
K: Der Rhythmus, den wir anstreben, ist zwei Wochen. Jetzt in der Startphase sind es aber manchmal auch 2 ½ oder drei Wochen. Der zweiwöchige Rhythmus ist aber das Ziel, um eine große Vielfalt von Projekten aufnehmen zu können. Auch für uns ist es schön, weil wir dann immer neue Zielgruppen ansprechen können.
Von welchem finanziellen Umfang sprechen wir denn?
K: Wir kalkulieren mit einer Einnahme von 1 Euro pro Nutzer im Monat. Momentan haben wir etwa 350 Nutzer. Entsprechend sind die Beträge, die wir auszahlen noch gering. Das Ziel ist aber, dass wir sobald wie möglich 10.000 – 15.000 Nutzer haben und entsprechende Einnahmen im Monat haben, die wir verteilen können.
A: Wie intensiv eine Suchmaschine genutzt wird, merkt man daran, dass wir mit unseren aktuellen Nutzern bereits 60.000 Anfragen im Monat verarbeiten. Bei Suchmaschinen dreht sich alles um Skalierung, um „big data“. Da es so leicht ist von Google zu Gexsi zu wechseln, rechnen wir perspektivisch mit mehreren hunderttausend Nutzer. Die Summen, die hierdurch zustande kommen, sind dann ganz neue Dimensionen für einen Sektor, für den momentan wenig Mittel zur Verfügung stehen. Wenn man dann mal 1 Millionen Nutzer zusammen sind, können wir zusammen den ganzen Social Entrepreneurship Sektor revolutionieren und die Finanzierungsengpässe schließen, die den Sektor aktuell bremsen.
Das ist eine schöne Vision. Wie sehen denn eure nächsten Schritte dahin aus?
K: Zunächst möchten wir die Suchfunktion, die ja im Kern unserer Arbeit steht, weiter verbessern. Momentan liefern wir dem Nutzer relativ nackte Suchergebnisse aus. Das kann ein Vorteil sein, weil man sehr schnell ist und direkt das Ergebnis angezeigt bekommt. Aber wir möchten auch ausprobieren, welche Widgets – von Wikipedia beispielsweise – unseren Nutzern einen weiteren Mehrwert geben, ohne dass die Seite unübersichtlich wird. Und für die Gexsi App, die seit kurzem live ist, haben wir auch noch viele Pläne.
A: Außerdem ist das Ziel, dass möglichst viele Organisationen, von den großen UN Organisationen bis zu den vielen NGOs, die sich für eine bessere Welt einsetzen, und alle Firmen, die sich den Global Goals, den UN Nachhaltigkeitszielen verpflichtet fühlen, Gexsi als ihre Lieblings-Suchmaschine entdecken.
Habt ihr zum Abschluss noch einen Call-to-Action, den ihr meinen Lesern mitgeben möchtet?
K: Macht den ersten Schritt! Gexsi als Standardsuchmaschine einrichten oder die kostenfreie App herunterladen geht in weniger als 60 Sekunden. Probiert es aus und wenn es euch gefällt, sprecht darüber!
Vielen Dank für das Interview, lieber Kevin und Andreas!
Hier könnt ihr direkt mit der Gexsi-Suche starten:
https://gexsi.com/
Noch mehr Infos? Dann mal hier entlang:
Einen Überblick verschiedener grüner und sozialer Suchmaschinen findet ihr auf dem Blog der GLS Bank oder dem Artikel von Utopia. Gexsi ist natürlich auch mit dabei.
Ihr wollt mehr über die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN erfahren? Dann klickt doch mal auf das Interview, das ich mit der Initiative #17 Ziele gemacht habe:
https://greenerlicious.de/17_ziele/