Ein kleiner Kratzer, ein falscher Aufkleber oder eine alte Kollektion. Es gibt viele Gründe, warum Läden ihre Produkte nicht mehr verkaufen können. Viele Kund*innen möchten perfekte Produkte. „Warum eigentlich?“ fragte sich Jessica Könnecke und eröffnete im letzten Jahr den Online-Shop „Mit Ecken und Kanten“. Hier verkauft sie faire Produkte mit kleinen Macken. Damit verhindert sie nicht nur, dass sie weggeschmissen werden, sondern animiert auch zum bewussten Einkauf. Ich habe Jess für euch interviewt und mit ihr über den Laden, Nachhaltigkeit und Perfektionismus gesprochen.
Was ist „Mit Ecken und Kanten“?
„Mit Ecken und Kanten“ ist ein Online-Shop, auf dem ich Produkte verkaufe, denen ich – wie ich immer sage – eine zweite Chance gebe, also Produkte, die normalerweise nicht mehr verkauft werden können, weil zum Beispiel die Verpackung in irgendeiner Weise beschädigt ist, sie aus einem alten Sortiment oder Restposten stammen oder das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht wurde, die aber natürlich noch gut sind.
Was für Produkte sind das genau?
Die Produkte sind alle fair und nachhaltig – von fairer Mode über Naturkosmetik, bis hin zu Papeterieprodukten, Schmuck und Taschen. Ich habe mit einem relativ kleinen Sortiment angefangen, weil ich erst einmal ausprobieren wollte und zu Beginn wenig finanzielle Mittel hatte. Nach und nach habe ich festgestellt, was die Leute interessiert und so habe ich zum Beispiel Zero-Waste-Produkte mit reingenommen. Das ist für mich ein wichtiges Thema, daher macht es auch Spaß, Unternehmen hierfür zu kontaktieren. Meine Vision ist es, irgendwann mal auf „Mit Ecken und Kanten“ alle Produkte anzubieten, die man so im täglichen Leben braucht – von Kleidung über eine Trinkflasche bis hin zu Schmuck.
Wie funktioniert das Ganze? Du kaufst die Produkte oder werden sie dir zur Verfügung gestellt?
Am Anfang habe ich die Produkte auf Kommissionsbasis bekommen. Das heißt, die Unternehmen haben mir die Produkte geschickt, und sobald ich sie verkauft habe, habe ich Kommissionsanteile bekommen. Mittlerweile kaufe ich die Produkte aber auch sehr oft ab. Ich versuche, dass beide Seiten etwas davon haben und wir uns auf einen fairen Preis einigen, der sich für beide lohnt.
Und jetzt stapeln sich bei Euch zu Hause die Boxen oder hast Du ein Lager?
Anfangs hatten wir wirklich alle Produkte im Arbeitszimmer, was dazu geführt hat, dass wir spät abends noch Pakete gepackt haben. Mittlerweile haben wir alles zu meiner Mutter ausgelagert. Sie hat ein großes Haus mit einem kompletten Hobbykeller, der leer stand. Ich fahre in der Regel zweimal in der Woche dorthin und packe alles ein. Natürlich fahre ich auch mal spontan hin, wenn neue Produkte kommen, die ich fotografieren muss. Ansonsten arbeite ich meistens von zu Hause aus oder auch mal im Café.
Wer kauft bei dir ein?
Ich würde sagen, das sind zu 95% Frauen zwischen 25 und 40. Das überrascht mich nicht, weil gerade mein Sortiment bei Fair Fashion nur für Frauen ist, aber ich möchte auch mehr Männersachen mit aufnehmen. Außerdem sind es Leute, die einen nachhaltigen Lebensstil führen und sich kritisch mit dem eigenen Konsum auseinandersetzen.
Ist dieser bewusste Konsum auch etwas, zu dem du mit deinem Shop anregen möchtest?
Ja, auf jeden Fall. Vor allem der Aspekt, dass wir nicht immer perfekte Produkte brauchen ist mir wichtig. Bei den Lebensmitteln kommt das ja schon immer mehr. Wir brauchen keine perfekt genormte Möhre, damit sie gut schmeckt. Bei den Produkten, die ich anbiete, ist es genau das Gleiche. Ob jetzt in der Brotbox schon ein Kratzer drin ist oder nicht, ist völlig egal, denn wenn sie in der Tasche landet zerkratzt sie eh. Die Unternehmen können Produkte nicht mehr verkaufen. Ich möchte gerne ein Bewusstsein dafür schaffen, dass meine Produkte vielleicht nicht perfekt, aber genauso hochwertig und vor allem wertvoll sind. Es wurden Ressourcen dafür verbraucht und so etwas jetzt wegzuschmeißen oder sie im Keller zu lagern, macht überhaupt gar keinen Sinn.
Was ist das Schwierigste daran, ein grünes Unternehmen aufzubauen?
Bekannt zu werden. Als nachhaltiges Unternehmen bist du ohnehin in einer Nische und kannst niemals mit großen Playern wie Amazon mithalten. Das möchte ich auch nicht, denn meine Zielgruppe ist eine ganz andere. Aber trotzdem muss der Shop erst einmal gefunden werden und das ist nicht so einfach. Social Media ist natürlich super, gerade auch als nachhaltiges Unternehmen, denn es gibt immer mehr nachhaltige Blogger*innen, die einen unterstützen möchten. Dennoch braucht es Zeit und daran scheitern viele. Das Wichtigste ist dranzubleiben, sich auch über die kleinen Erfolge zu freuen und nicht die Überzeugung an die eigene Idee zu verlieren. Es gibt natürlich manchmal so Tage, an denen es nicht so gut läuft. Das ist ganz normal. Ich merke aber, dass Leute die Idee gut finden und anderen davon erzählen, was sehr schön ist. Und mittlerweile kommen auch Unternehmen auf mich zu und das macht dann auch echt Spaß.
Und was ist das Schönste?
Ich finde die Community richtig cool – sei es, wenn ich mit Blogger*innen zusammenarbeite oder von Kundinnen und Kunden eine Rückmeldung bekomme. Ich merke, dass die Leute das, was hinter dem Shop steckt, wertschätzen. Ich versuche auch etwas aufzubauen, das nicht so anonym ist, von dem die Leute wissen, dass ich dahinterstehe. Da musste ich mich am Anfang ein bisschen überwinden, weil ich ja im Prinzip für eine Marke stehe und mich dementsprechend präsentieren musste. Aber ich selber finde es auch immer schöner, die Personen hinter einer Firma und die Ansprechpartner zu kennen. Dann entsteht auch ein Dialog zwischen den Leuten und das ist toll.
Was hast du für die Zukunft geplant? Noch mehr Pop-Up-Stores, wie du sie schon gemacht hast?
Genau. Um auch offline mit den Leuten in Kontakt zu kommen, versuche ich, immer mal wieder Pop-up-Stores zu machen, soweit es die Ressourcen zulassen – demnächst in Berlin. Außerdem möchte ich schauen, welche Bereiche ich in meinem Shop noch abdecken kann, wobei hier auch vieles durch Zufall kommt. Oft schreiben mich Unternehmen an, die fragen, ob ich Produkte aufnehmen möchte, die sie nicht mehr verkaufen können. Da muss man schnell reagieren. Das macht es auch spannend, weil du nie den gleichen Arbeitsalltag hast. Also mal schauen, was die Zukunft bringt.
Du bloggst schon lange über das Thema Nachhaltigkeit und siehst mittlerweile direkt an den Verkaufszahlen, wie sich der Trend entwickelt. Hast du das Gefühl, dass sich da etwas bewegt?
Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, dass das ein Trend ist, der noch anhalten wird und hoffentlich irgendwann mal zur Normalität wird. Natürlich gibt es auch noch ganz viele Leute, die nicht so denken. Das darf man nicht vergessen. Wenn wir uns darüber unterhalten, ist das ganz normal, aber außerhalb unserer Bubble gibt es ganz viele Leute, die mit Nachhaltigkeit noch gar nichts zu tun haben. Mein Ziel ist es auch, mit „Mit Ecken und Kanten“ Leute zu erreichen, die sagen, ihnen sind faire Produkte zu teuer. Die Produkte in meinem Shop sind ja immer etwas günstiger und dadurch wird die Schwelle, die der Preis oft darstellt, hoffentlich überwunden und der Anreiz, faire Produkte auszuprobieren steigt.
Hast Du einen Tipp für Leute, die nachhaltiger leben möchten?
Neben dem Konsum ist vor allem auch die Ernährung sehr wichtig. Ich ernähre mich seit einem Jahr zu 90% vegan. Man muss ja nicht komplett auf vegane Ernährung umsteigen, sondern kann auch erstmal weniger Fleisch essen. Und dann merkt man schon, ob man das Fleisch überhaupt noch braucht und reduziert es vielleicht ganz automatisch. Ein weiterer Tipp ist Leitungswasser zu trinken anstatt stilles Wasser in Plastikflaschen zu kaufen oder den eigenen Jutebeutel mitzubringen, also Sachen, die man einfach umsetzen kann. Mein Motto ist auch, dass man nicht perfekt sein muss. Gerade beim Thema Nachhaltigkeit denken viele: entweder ich mache es 100% perfekt oder gar nicht. Aber das ist kein guter Ansatz. Man soll sich da nicht unter Druck setzen, sondern lieber Schritt für Schritt Sachen ausprobieren.
Vielen Dank für das Interview, liebe Jess!
Dieser Beitrag stellt ein tolles nachhaltiges Unternehmen vor, und kann daher als Werbung gesehen werden. Ich möchte aber betonen, dass ich dafür kein Geld bekomme. Ich stelle nur das vor, von dem ich selber überzeugt bin.
Hier könnt ihr die unperfekten Produkte shoppen:
Weitere Infos? Dann mal hier lang:
Jess hat auch einen Blog, schaut mal rein: https://theliveliest.com/
Ihr wollt noch mehr Blogs über Minimalismus und bewussten Konsum? Wie wäre es mit: https://the-ognc.com/; http://kauflosgluecklich.blogspot.com.es/; http://viertel-vor.com/
Ein kritischer Blick auf die Möglichkeiten und Grenzen des bewussten Konsums: https://www.transform-magazin.de/moeglichkeiten-und-grenzen-des-bewussten-konsums/