In meinem letzten Beitrag habe ich die Probleme der Modeindustrie genauer unter die Lupe genommen. Neben menschenverachtenden Arbeitsbedingungen verschmutzt die Produktion unserer Kleidung die Umwelt, so dass klar sein sollte, dass es hier Veränderungen braucht. Im zweiten Teil meiner Reihe zum Thema Fast Fashion beleuchte ich deshalb, welche möglichen Lösungen es gibt und was wir als Konsumenten tun können, damit die Modeindustrie fairer und nachhaltiger wird.
Kleidung ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Wir kommunizieren über unsere Kleidung, wer wir sind, wir identifizieren uns darüber mit anderen und oft nutzen wir Kleidung beziehungsweise das Kaufen von Kleidung als Therapie. An die Konsequenzen unseres Konsums denken dabei die wenigsten. Im Blogbeitrag „Fashion Victim – Wer zahlt eigentlich den Preis für unseren Modekonsum“ habe ich die Probleme der Modeindustrie näher beleuchtet.
So leiden für unseren Konsum ArbeiterInnen, die unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und einem Gehalt, das kaum die Grundbedürfnisse deckt, unsere Kleidung herstellen (das durchschnittliche Monatsgehalt beträgt gerade mal 60 Euro). Zudem kommt es immer wieder zu Bränden und Fabrikeinstürzen, in denen Menschen für unseren Konsum sterben.
Hinzu kommen die Umweltbelastungen durch Pestizide und Chemikalien, die beim Anbau und der Herstellung der Kleidung eingesetzt werden. Die Produktion unserer Kleidung verbraucht außerdem jede Menge Energie und Wasser. Vom CO2-Ausstoß, der beim Transport der Kleidung, die oft bis zu 70.000 km zurücklegt, bevor sie bei uns im Schrank hängt, ganz zu schweigen. Wenn wir sie nicht mehr möchten landet unsere Kleidung auf dem Müll oder wird weiterverkauft, oft in Entwicklungsländern, wo sie die lokale Wirtschaft zerstören. Allein in Deutschland werden jährlich rund 1,3 Millionen Tonnen an Klamotten entsorgt.
Das sich etwas ändern muss und wir so nicht weitermachen können, sollte also jedem klar sein. Was aber ist die Lösung? Wie können wir die Modeindustrie so gestalten, dass weder Menschen noch die Umwelt darunter leidet?
Fair Fashion, Second Hand oder Verzicht – was sind die Lösungen?
Eigentlich scheint die Antwort ganz einfach zu sein: die Arbeitsbedingungen der ArbeiterInnen in den Produktionsstätten müssen verbessert, Löhne angehoben und Umweltstandards verschärft werden. Aber ganz so einfach ist es dann wohl doch nicht. Im letzten Jahr war ich auf einer Veranstaltung der Bundeszentrale der politischen Bildung, auf der einige der Erkenntnisse des Garment Supply Chain Governance Project, ein Zusammenschluss mehrerer Universitäten, vorgestellt wurden. Das Projekt hat die Veränderungen in den Arbeitsbedingungen in der Textilbranche nach dem Einsturz von Rana Plaza untersucht und hat festgestellt, dass es zwar Entwicklungen in die richtige Richtung gab, diese aber bislang noch viel zu kurz greifen. So wurden in den letzten Jahren zum Beispiel mehrere Abkommen unterzeichnet, die darauf abzielen, die Arbeitsbedingungen und in einigen Fällen auch Umweltstandards zu verbessern. Zu nennen ist hier zum Beispiel das „Bündnis nachhaltige Textilien“, das sich aus Gewerkschaften, Unternehmen, NGOs und vielen weiteren Akteuren zusammensetzt. Allerdings basiert dieses Bündnis auf Freiwilligkeit und das Niveau der angestrebten Maßnahmen variiert zwischen den Mitgliedern stark. Die Kampagne für Saubere Kleidung hat das Bündnis vier Jahre nach Entstehen einmal genau unter die Lupe genommen und kommt zu dem Schluss, dass hier noch sehr viel Luft nach oben ist.
Ein weiteres Beispiel ist das „Accord on Fire in Building Safety in Bangladesh“, dessen Mitglieder Unternehmen und Gewerkschaften sind. Das rechtlich verbindliche Abkommen inspiziert Fabriken und sieht auch finanzielle Unterstützung für die Beseitigung von Schäden vor. Tatsächlich haben sich die Arbeitsbedingungen und teilweise auch die Löhne in den vom Abkommen kontrollierten Fabriken verbessert. Dennoch bleiben die Arbeitsbedingungen insgesamt in den Ländern nach wie vor desaströs. Zudem ist jetzt schon sichtbar, dass viele Unternehmen den Accord und das Textilbündnis wieder verlassen. Rana Plaza ist lange her und damit sinkt auch der Druck etwas zu tun.
Die positiven Veränderungen sind einfach zu wenig und sie passieren zu langsam. Dass sich die Produktion eines Kleidungsstücks über mehrere Länder verteilt, in denen die Regulierungen und Strukturen variieren, macht es nicht einfacher, den richtigen Hebel für Veränderung und die Verantwortlichen in der Wertschöpfungskette zu finden.
Solange sich außerdem die Geschäftsmodelle der Unternehmen und die Konsummuster nicht ändern, werden die Abkommen, auch wenn sie mehr Sicherheit bieten, keinen Unterschied machen. Denn das Kernproblem bleibt, dass immer kürzere Lieferzeiten gefordert werden (was bedeutet: mehr Arbeit und mehr Überstunden).
Könnte Fair Fashion dieses andere Geschäftsmodell sein, dass es braucht? Fair Fashion Marken arbeiten mit kleineren Produktionsfirmen, zahlen einen fairen Lohn und halten Umweltstandards ein. Aber reicht es aus, unseren Konsum einfach grün anzustreichen? In „The True Cost“ sagt der Ökonom Richard Wolff: „Stop this stuff about improving their conditions and deal with the system or else you are not serious“. Für ihn reicht es also nicht, den NäherInnen einfach nur mehr Gehalt zu zahlen. Unser gesamtes Marktsystem muss sich ändern. Ich gebe ihm Recht und glaube trotzdem, dass Fair Fashion hier einen Platz hat. Immerhin arbeiten heute eine von sechs Personen in der Textilindustrie. Ich finde, das ist Grund genug, sie fairer zu machen! Fair Fashion Labels zeigen großen Firmen, wie es anders gehen kann und vertreten Werte, die es eigentlich in der gesamten Branche geben sollte. Die Fashion Changers nennen das „Modeaktivismus“ und meinen damit, Mode nicht als reines Konsumgut hinzunehmen, sondern durch sie auch das auszudrücken, was man gesellschaftlich verändern möchte. Zudem ist Fair Fashion, anders als Fast Fashion, oft auf Langlebigkeit ausgelegt – Slow Fashion also. Das ist gut, denn allein die Verlängerung der Lebensdauer unserer Kleidung von einem auf zwei Jahre würde die CO2 -Emissionen um 24% reduzieren. Dennoch muss uns klar sein, dass auch das fair und nachhaltig produzierte T-Shirt Ressourcen und Energie verbraucht und früher oder später entsorgt werden muss. Es sollte also kein Freifahrtsschein sein, mehr und mehr zu kaufen, sondern auch hier müssen wir bewusst konsumieren.
Bewusst konsumieren ist hier tatsächlich das Zauberwort. Ein Argument, das Fair Fashion oft entgegen gebracht wird, ist dass sich nicht jeder ein T-Shirt für 80 Euro oder das Kleid für 300 Euro leisten kann. Auch wenn wir davon ausgehen, dass dieses Kleid eine bessere Qualität hat, als das Kleid einer Fast Fashion-Marke, es deshalb länger hält und unterm Strich entsprechend günstiger wäre, hat tatsächlich nicht jeder das nötige Geld, diese Investition zu machen. Natürlich gibt es immer die Möglichkeit, etwas Second Hand zu kaufen. Doch für viele, die nicht in einer Großstadt, wie etwa Berlin leben, gibt es nicht so viele Möglichkeiten, so dass Second Hand einkaufen oft mit Kompromissen und/oder einem hohen Zeitaufwand verbunden ist. Klar gibt es online-Plattformen, wie Kleiderkreisel. Aber sind wir mal ehrlich, wenn jemand 50 Euro zur Verfügung hat, für die er oder sie einen neuen Wintermantel kaufen kann, ist es dann nicht absolut nachvollziehbar und legitim, dass diese Person eher in ein Fast Fashion Laden geht, wo sie ihn vorher anprobieren kann, anstatt das Risiko einzugehen, einen Mantel online zu bestellen, der dann eventuell nicht passt? Insgesamt liegt das Problem auch nicht bei den Leuten, die ein- oder zweimal im Jahr etwas bei Primark oder woanders kaufen. Das Problem ist der endlose Konsum. Das Problem sind diejenigen, die jede Woche shoppen gehen – und denen trotzdem vermeintlich das Geld für Fair Fashion fehlt.
Egal, ob Fast Fashion, Fair Fashion oder Second Hand, wir sollten uns vor jedem Kauf fragen:
- Brauche ich dieses Teil wirklich? Habe ich schon etwas ähnliches?
- Wie oft und wie lange werde ich es wohl tragen?
- Passt es zu vielen anderen Kleidungsstücken in meinem Schrank?
- Welches Material hat es? Ist es synthetisch (Hände weg) oder langlebig (das ist gut, denn dann habe ich lange etwas davon und kann es am Ende weitergeben)?
Natürlich kaufe ich nach wie vor auch mal etwas, das dann kaum getragen im Schrank hängt, aber mit Übung werde ich immer besser darin, zu erkennen, was mir – um es mal in Marie Kondo’s Worten auszudrücken – Freude bringt. Ein bewusster Konsum führt dazu, dass wir weniger kaufen und das nimmt den Druck auf die Fabriken, in immer schnellerem Akkord und mit immer niedrigeren Sicherheits- und Umweltstandards Kleidung zu produzieren und verlängern gleichzeitig die Lebensdauer unserer Kleidung. Das ist gut für die Umwelt und auch für uns, weil wir uns dem Kreislauf des ewigen Konsums entziehen können. Denn seien wir mal ehrlich: auch wenn uns die Modeindustrie etwas anderes weismachen möchte, macht Shoppen allein eben nicht glücklich!
Kauft ihr Fast Fashion, Fair Fashion oder Second Hand? Was sind für euch Lösungen für die negativen Auswirkungen der Modeindustrie?
Schreibt mir eure Gedanken gerne in die Kommentare!
Ihr wollt noch weitere Informationen? Dann mal hier entlang:
Der Future Fashion e.V. klärt über Missstände in der Modebranche auf und möchte zum Umdenken anregen, etwa mit der Kampagne Fashion Revolution und der damit verbundenen Aufforderung, zu fragen: „Who made my clothes“
Ein weiterer Verein, der sich für die Rechte von Frauen in der globalen Bekleidungsindustrie einsetzt ist FEMNET e.V. Auf der Webseite https://femnet-ev.de findet ihr übrigens auch jede Menge Informationen zu Themen rund um die Textilindustrie.
Einen umfangreichen Guide an Fair Fashion Marken und Shops sowie Second Hand Shops bietet der Blog Subvoyage: https://subvoyage.de/fair-fashion-guide/
Das Garment Supply Chain Governance Project, einem Forschungsprojekt verschiedener Universitäten untersucht, wie sich die Modeindustrie nach dem Einsturz von Rana Plaza verändert hat. Auf der Projektseite gibt es jede Menge Informationen.
Mittlerweile gibt es jede Menge BloggerInnen, die zeigen, dass Fair und Slow Fashion alles andere als langweilig ist, wie etwa Justine kept calm and went vegan, heylilahey, The OGNC, Un petit sourire slows down und Kissen & Karma. Hier findet ihr übrigens nicht nur schicke Outfitposts, sondern auch jede Menge Informationen über die Modeindustrie.
Einige der Fair Fashion Blogger haben sich zusammengetan und mit „Conscious Closet“ einen umfangreichen Guide für bewussten Modekonsum veröffentlicht. Das beste? Ihr könnt ihn kostenfrei herunterladen.
Dieser Beitrag enthält Links zu Initiativen, Artikeln oder Organisationen und kann daher als Werbung gesehen werden. Ich möchte aber betonen, dass ich dafür kein Geld bekomme.